ZERO: Pflichtlektüre. Für alle. Kein Scherz.

ZERO Marc ElsbergBuch-Rezension: ZERO, Marc Elsberg (2014)

Die Datagate Affäre ist doch durch.
Natürlich ist sie das.
Konkret: Medial ist sie durch.
Real freilich nicht.

Warum DIESES Buch? 
ZERO macht Fragen wie Persönlichkeitsrechte, Datagate, Datenschutz und digitale Zukunft in Form einer Geschichte verständlich und zeigt konkret an realen Situationen, was die vielen Institutionen, Programme und Strategien, von denen wir im Rahmen der Datagate-Affäre rund um Snowden bereits gelesen haben (und viele Jahre davor: hier nur ein Beispiel), bedeuten und tun. Und was es bedeutet, wenn die Betroffenen nichts tun. Genau dieser Ignoranz wegen und zum Bewusstmachen der Konsequenzen ist dieses Buch wichtig.

Informationswissenschaftler und Big Data Spezialisten werden hier freilich (hoffentlich) wenig Neues lesen. Als eine ebensolche fand ich die Lektüre dennoch interessant und spannend. Warum halte ich dieses Buch also für wichtig? Es adressiert klar ein paar zentrale Probleme, die wir aktuell in der Gesellschaft beobachten können. Dazu gleich nach dem Plot mehr.

Der Plot:
Das Buch selbst beginnt damit, dass der amerikanische Präsident beim Golfspiel von einer Drohne angegriffen wird. Diese wird ZERO zugeordnet, wobei zu Beginn nicht klar ist, ob es sich dabei um eine Einzelperson oder eine Gruppe handelt. Im Laufe der Handlung wird selbst Ermittlern und Journalisten klar, dass sie in einem bereits eng geflochtenen Netz an Überwachung sitzen, das zu Beginn den Nutzern hier am Beispiel einer gratis Plattform Freemee ihren Millionen Nutzern ein besseres Leben und mehr Erfolg verspricht, indem es ihre Daten sammelt und auswertet.  Einer warnte vor Freemee und vor der Macht, die diese Plattform ihren Betreibern verleiht: ZERO, schließlich der meistgesuchte Online-Aktivist der Welt. Cynthia, die die Ermittlungen covern soll, stellt schnell fest, dass sie selbst zur Gejagten wird, als sie anfängt, genauer zu recherchieren.

Kommen wir nun zur Crux der Story.

 

„Wer nichts zu verbergen hat, hat nichts zu befürchten.“daten sammeln

Achso? Seit wann? Wir sehen leider (wiederholt) in der Gesellschaft eine Einstellung breit vorherrschen, die da lautet: „Wer nichts zu verbergen hat, hat nichts zu befürchten.“ An welche Regime der Vergangenheit erinnern wir uns, die dieses Argument benutzten? An die Stasi-DDR vielleicht? Nazi-Deutschland? Und viele weitere, die uns ausnahmslos in gruseliger Erinnerung sind.

Also Vorsicht mit solchen Aussagen. Warum? Weil wir gerade dabei sind, auf exakt die gleiche Masche hereinzufallen, wie eine Menge Generationen und Gesellschaften vor uns, über die wir heute mit Unverständnis rückblickend wegen deren demonstrierter Ignoranz den Kopf schütteln: „Wie konnten die das bloß nicht sehen?“ Werden die uns nachfolgenden Generationen (if any) das über uns ebenfalls sagen?

So. Genau dieses geschichtlich wiederkehrende Phänomen einer flächendeckenden Überwachung liegt aktuell vor, bloß viel detailreicher, beweisbarer, besser rechenbar – und besser nutzbar. Auch die Dimension ist größer als in den bisherigen Fällen. Genau: weltweit.

Zwei symptomatische Zitate aus dem Buch:
„Genau das ist der Grund, warum sie (Cynthia) den ganzen technischen Neuerungen der letzten Jahre mit solcher Skepsis begegnet.“
Sollte das auch Ihre Überzeugung sein: Gratulation, die Frage, ob Sie im Web teilnehmen sollen oder nicht, stellt sich nämlich nicht. Sie sind schon da – andere besorgen das für Sie. Wissen Sie überhaupt, was über Sie im Netz zu finden ist, inwieweit Ihre Reputation allenfalls davon bedroht ist und wie Sie gegen problematische Postings vorgehen? Und vor allem: wissen Sie, wer Ihr Profil führt, das Sie leider nie sehen werden, das aber aus vielen Datenschnipseln Ihrer Existenz zusammengetragen wird? Ein Real-Life Pendant zum im Buch erwähnten Anbieter Freemee ist beispielsweise ACXIOM? Kennen Sie ACXIOM? Nein? Macht nichts, ACXIOM kennt Sie. 44 Millionen Deutsche und und 300 Millionen Amerikaner haben auf ACXIOM ein Profil, das andere für Sie pflegen. Wie praktisch. Sehen werden Sie es freilich nie. Vielleicht wird Ihnen darüber einmal die Einreise in ein Land verwehrt oder Sie bei der Einreise hops genommen, eine Kreditkarte gesperrt, die Versicherung verteuert oder … diverse andere feine Fallstricke, die Sie bestimmt nicht brauchen. Und selbst wenn: Kennen sie die anderen Freemees? Oh.

„Cyn covert die Ermittlungen.“
„Internet ist nicht mein Ressort“, erinnert sie ihn, während er in einem Umzugskarton herumwühlt.
Ohne aufzusehen erwidert er: „Internet ist euer aller Ressort.“
In aller Knappheit beschreibt dies eine Ignoranz darüber, dass die meisten „analogen“ Berufe in wenigen Jahren ausgestorben sein werden. Darüber haben Sie noch nicht nachgedacht? Schade, wäre bald einmal an der Zeit. Wenn Sie also in den nächsten 2 Jahren in Pension gehen, könnte es sich ausgehen, darüber Ignoranz walten zu lassen. Dann lassen Sie’s gut sein. Wenn Sie einen Brot-Job noch länger auszuüben gedenken, wäre es hoch an der Zeit, dass Sie sich mit den Herausforderungen des digitalen Zeitalters befassen, und zwar im Hinblick darauf, was es für Sie privat UND beruflich bedeutet. Wird es Ihren Job in 5 oder 10 Jahren noch geben? Werden ihn Roboter in höherer Qualität und billiger machen? Und in welcher Art und Weise kann die digitale Überwachung Sie zu Verhalten oder Handlungen zwingen, die Ihnen diametral zuwider sind?

Bleibt noch die Frage, was solcherart informierte BürgerInnen konkret tun können:

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Übrigens: Alles, was Sie hier gelesen haben, könnte auch falsch sein. 😉

P.S.: Wollen Sie etwas erleben? Klicken Sie auf das Buchcover am Kopf des Artikels.

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